Von Einhornkotze, Deospray und dem Wunsch nach Freiheit

Seit einigen Jahren wird alles, was sich bedrucken lässt, mit lustigen oder süßen Tieren verziert. Absoluter Höhepunkt: der Hype um das Einhorn. Wie kommt es zu einem solchen Trend? Und lohnt es sich als Unternehmen, aufzuspringen? Ein Erklärungsversuch.

Jeder erinnert sich noch an die vielen Eulen, die sich vor einigen Jahren auf Taschen, T-Shirts und anderen Accessoires ausbreiteten. Die ersten waren schon 2008 auf den Laufstegen zu sehen, die letzten tummeln sich immer noch auf Ohrringen oder Schlüsselanhängern. Während die Eule als Symbol für Weisheit gilt, folgte dann ein Tier, das das schöne, freie Lebensgefühl verkörpert.

Der Flamingo, oft gepaart mit Glitzer und bunten Farben, sorgt für frisches Design und erinnert an den letzten Urlaub unter Palmen oder den Sommerabend im Park. Ob auf dem Pullover oder als Sofakissen, mit dem Flamingo holen sich Konsumenten ein Stückchen Paradies in den Alltag. Und schon springen Unternehmen auf den Hype auf: Isana, Eigenmarke von Rossmann, bringt das Deospray Flamingostar in pinker Dose heraus, Haribo setzt mit den pinken Vögeln auf eine neue Fruchtgummi-Sorte.

Einen Höhepunkt scheint jetzt das Einhorn erreicht zu haben: Wer bei Instagram den Hashtag unicorn eingibt, erhält mehr als 4,5 Millionen Einträge, die Rittersportschokolade Einhorn ist innerhalb von 20 Stunden ausverkauft. Dank unzähliger Getränke, T-Shirt-Designs und Facebook-Posts wissen wir nun auch, dass Einhörner in einem bunten Regenbogenstrahl kotzen können. Wieso lassen sich Menschen von Tieren so einfach verzaubern? Und warum scheinen nur die wenigsten genug zu bekommen von Konsumgütern, die auf einfachste Weise mit dem Hype spielen?

Einige Forscher meinen, dass der Tiertrend daher rührt, dass mittlerweile 80 Prozent der Menschen in Deutschland in Ballungsgebieten und Großstädten leben. Damit wächst die Sehnsucht nach mehr Natur und Freiheit. Das mag für Rehe oder Eulen zutreffen, aber das Einhorn geht als Fabelwesen noch einen Schritt weiter. Das „Zeit“-Magazin fand schon beim Flamingo-Hype ein einfaches, aber umso treffenderes Argument und schrieb: „Wer will schon kein Flamingo sein, in einer Welt von Terror und AfD?“ Das Einhorn also als Fluchtpunkt vor der unruhigen politischen Weltsituation? Vielleicht. Jeder assoziiert mit dem Traumtier Schönheit, Freiheit und Frieden – Dinge, die sich Menschen in Zeiten von Rechtspopulismus und Flüchtlingsströmen wünschen. Das Einhorn ist einzigartig in seiner Art. Gleichzeitig zeigt es, dass Andersartigkeit schön sein kann und symbolisiert damit Pluralismus und Meinungsvielfalt. Alles Faktoren, die heute oftmals zu kurz kommen.

Sascha Szabo, Soziologe und Unterhaltungsforscher, erklärt zur vielfältigen und manchmal belächelten Verwendung des Einhorns im NOIZZ-Interview: „Warum sollte eine Haltung, die häufig genug geteilt wird, nicht die Wirklichkeit beeinflussen? Und wer behauptet, dass politisch sein nicht leicht und spielerisch sein kann?“

Unser Fazit: Der Hype um exotische, fabelhafte Tiere wird so schnell nicht abflachen. Schon lange nicht, wenn sich die Wünsche nach Pluralismus und Frieden auf anderem Weg nicht erfüllen. Für Unternehmen gilt: schnell genug mitmachen und dem Trend mit neuartigen Ideen folgen, bevor er wieder abebbt. Es lohnt sich!

In diesem Sinne: „Always be yourself. Unless you can be a unicorn – then be a unicorn.”